Am Montagabend begab sich auf dem Dach der Kohlenwäsche von Zollverein in Essen ein Zusammentreffen von historischer Dimension. Erstmals trafen sich die Mitglieder der Marketingclubs aus Dortmund, Bochum und Essen zu einer gemeinsamen Veranstaltung.
Doch damit nicht genug. Die Veranstaltung fand nicht nur statt, sie ist auch noch gelungen. Und abgesehen von den üblichen Neckereien - “Wir Westfalen müssen das halten, was die Rheinländer versprechen”, - gab es großen Willen zu mehr von solcher Gemeinsamkeit.
Thema des Abends: Das Kulturhauptstadtjahr 2010, auch bekannt als Ruhr.2010
(Dass und warum man das “gebiet” nicht mehr im Namen führen möchte, wurde übrigens noch einmal auf die bereits bekannte Weise bekräftigt. Aber auch mit “zwanzig zehn” ist man offiziell unglücklich. Zur Absetzung von anderen “Agenden” besteht man auf der Langversion “zweitausendzehn”. Die Agentur, die das mit Erfolg kommunizieren soll, ist um ihren Job nicht zu beneiden.)
Stargast des Abends war Prof. Dr. Oliver Scheytt, bekanntermaßen Geschäftsführer der Ruhr.2010 GmbH.
Wow! Scheytt kann begeistern. Das muss man ihm unumwunden zugestehen. Wenn dieser Frontmann zum Ende kommt, ist man - fast - überzeugt, dass 2010 ein großes Jahr werden wird.
Und das wird es ja auch. Für (internationale) Besucher und die geneigte Presse wird ein Feuerwerk von großartigen Veranstaltungen abgebrannt. Das Ruhrgebiet bekommt zudem das eine oder andere neue Haus geschenkt. Und auch für den vielgerühmten “Menschenschlag von hier” wird es ein paar Bonbons geben.
Wer Scheytt genauer zuhört, wird jedoch auch feststellen, dass er von einem eher elitären Kulturbegriff geprägt ist. Alltags- und Gebrauchskultur wie Sie der Mensch aus dem Pott besonders mag, fällt bei ihm durchs Raster. Und Initiativen aus der freien Szene müssen sich schon große Mühe geben, um dem Professor zu gefallen.
Besonders deutlich wird Scheytts Haltung, wenn er auf die eingereichten Projektvorschläge angesprochen wird. Dann bricht die sonst gut kaschierte Abfälligkeit gegenüber “kleingeistiger Kunst” offen aus ihm heraus. Immerhin gut die Hälfte aller eingereichten Vorschläge wird die Ruhr.2010 vollständig aussortieren. Und für mindestens zwei - vermutlich aber den überwiegenden Teil - dieser Projekte hat Scheytt nichts als Geringschätzung übrig.
Wenn es Oliver Scheytt ist, der den Geist des Kulturhauptstadtjahres prägen wird - und vieles spricht dafür - steht zu befürchten, dass dieses Jahr vor allem nach außen wirken wird. Ein ohne Frage wichtiger Aspekt. Doch ob es gelingt, die Menschen im Ruhrgebiet nachhaltig für die Idee der Metropole zu begeistern, darf zumindest bezweifelt werden.
Im Anschluss an zwei weitere Vorträge, einer davon über dieses wunderbare Projekt, stand ich beim anschließenden Buffet abräumen ganz ohne böse Absicht übrigens mit dem Stargast am selben Tisch. Und eigentlich wollte ich ihn dennoch mit dem Thema Logodiskussion nicht behelligen. Es gibt schließlich Wichtigeres, über das man streiten könnte.
Doch dann wurde am Tisch über etwas diskutiert - ich habe vergessen, was es war - , das meine Neugierde auf seine persönliche Ansicht zu dem Thema durchbrechen ließ.
Was mich dann völlig überrascht hat: Oliver Scheytt war sofort im Bilde.
“Ach, Sie sind einer von diesen Bloggern?” (Mitleidiges Lächeln.)
Und er war gut informiert.
“Ich habe Ihre Briefe gelesen. Nicht jede Zeile, aber ich kenne Ihr Anliegen sehr genau.”
Und dann hat er ziemlich deutlich gemacht, was er von der Sache hält. Das Logo, nicht nur das große bunte, sondern auch das Community-Logo ist für ihn eine heilige Kuh. Die absolute Hoheit über alles, was mit Logo passiert ist ihm außerordentlich wichtig. Und dafür nimmt er gerne in Kauf, dass sich das Logo “nicht ganz so weit” verbreitet.
Ich habe noch einmal versucht, ihm klar zu machen, dass “nicht ganz so weit” vermutlich den wesentlichen Teil der potentiellen Verbreitung im Internet ausmachen dürfte, dass er sich riesige Chancen einer echten Community verstellt, um lächerliche Risiken zu vermeiden.
Aber all das interessiert ihn nicht. Was bei ruhiger Betrachtung nicht weiter verwundert. Scheytt denkt und plant auf Papier, dieses Interdings, das sind für ihn Webseiten. Dass hier draußen längst auf Augenhöhe, zweiseitig und vernetzt kommuniziert wird, davon weiß er vermutlich nichts.
Ich lege das Thema damit zu den Akten. Hier wird es kein Community-Logo geben. Und ich kann nur jedem dringend empfehlen, ebenfalls von der Nutzung des Logos Abstand zu nehmen. Insbesondere auch deswegen, weil man mit den Nutzungsbedingungen das Risiko der Rechte Dritter ausdrücklich auf die eigene Kappe nimmt. Zumal in einer Situation, in der der Bestand ebensolcher Rechte bereits bekannt ist.
Dass es hier kein Community-Logo geben wird, heißt übrigens nicht, dass mich die Kulturhauptstadt inskünftig nicht mehr interessiert. Ganz im Gegenteil. Ich werde das Werden dieses Ereignisses weiterhin wohlwollend kritisch beäugen und kommentieren. Und zum Essen auf der gesperrten A40 werde natürlich ich auch kommen, wenn mir jemand einen Platz frei hält.
Nachtrag 1: Ich habe da oben noch “kein Logo einer Kulturhauptstadt” eingefügt. Weil es so schön passt und um mich zu erinnern, dass es da noch eine Kiste Fiege auszuliefern gilt.
Nachtrag 2: Irgendwie schafft es Jens nicht, meine Trackback-Firewall zu überwinden. Deshalb sei hier darauf hingewiesen, dass er sich natürlich auch zum unserem Thema einlässt.