Die Wirtschaftsförderung Bochum hatte am letzten Dienstag zum turbo-Unternehmerforum ins Varité et cetera geladen. Thema: Die Kulturhauptstadt 2010.
Zur Begrüßung gab es neben leckeren Cocktails erst mal einen symbolischen Strauß Gerbera in Form von Prospekten, Aufklebern und einer Anstecknadel in die Hand. Die blau-grüne Tristesse im Corporate Design der Stadt wird nämlich seit neuestem durch den Claim “Bochum macht jung” und eben knallfarbene Gerbera belebt.
Mir gefallen die Gerbera, zumindest wenn sie vollflächig eingesetzt werden. Das freigestellte Logo, bspw. hier bei den Jungs vom Orangennetz zu bewundern, kommt allerdings etwas künstlich daher. Den Claim finde ich klasse. Ich lese für mich: “Bochum macht sich jung.” Andere Interpretationen sind sicher denkbar.
Nachzubessern gilt es jedoch unbedingt die zugehörige WebSite, die es derzeit gerade einmal schafft die Inhalte der Imagebroschüre zu reproduzieren und eine lieblose Linkliste bietet. Interaktive Elemente: Fehlanzeige! Das ist ganz klar Web 0.5.
Und dann natürlich die Frage: Wie verträgt sich das mit dem Kulturhauptstadt-Logo? Mag ja sein, das Bochum jung macht, aber in den nächsten drei Jahren sollte Bochum doch eigentlich nichts anderes machen als Ruhr.2010, oder?
Einer der in den nächsten drei Jahren sicherhoffentlich nicht viel anderes als Ruhr.2010 machen wird, ist Dieter Gorny, “Erfinder” der Popkomm, und neuerdings Ruhr.2010-Direktor für das Themenfeld „Kreativwirtschaft“. Gorny versuchte im Varieté-Zelt den anwesenden Unternehmern die Bedeutung der “Kreativwirtschaft” für die Region näher zu bringen. Eine insgesamt noch wenig geerdete Vorstellung. Ein Bild aus Gorny Vortrag hat mir jedoch gut gefallen. Er bezeichnete das Jahr 2010 als Richtfest für ein Gebäude, dass es ab 2011 fertig zu stellen und zu beziehen gelte.
Wie anderer Stelle schon Norbert Lammert hob er damit auf die Hoffnung ab, dass die Kulturveranstaltung Ruhr.2010 den Impuls für grundlegende Veränderungen geben könnte, die über das Kulturelle weit hinaus geht.
Das eigentliche Highlight des Abends war jedoch der Vortrag von Dr. Manfred Gaulhofer. Gaulhofer hat seine Kulturhauptstadt schon hinter sich. Er war nämlich Geschäftsführer der Graz 2003 Kulturhauptstadt Europas GmbH. Natürlich war - angesichts des Publikums - auch Gaulhofers (Haupt-)Thema der wirtschaftliche Nutzen so eines Kulturhauptstadt-Projekts. Der war wohl beträchtlich, wobei solcher Nutzen ja bekanntlich nur mittelbar abzuleiten ist. Man muss an den Erfolg also glauben. Vorher wie hinterher.
Sehr spannend fand ich jedoch zwei andere Aspekte, die Gaulhofer ausführte. Der eine betraf die Einbindung bestehender (Stadt)Marketing-Strukturen, der zweite die Logo-Frage.
Bezüglich des Stadt-Marketing war es der Graz 2003 GmbH tatsächlich gelungen, dieses weitgehend zu übernehmen. Aus dem traditionell rot-weißen Graz wurde 2003 eine einheitlich grün-blaue Kulturhauptstadt. Wie Gaulhofer ausführte mit sehr positiven Auswirkungen für Bekanntheit und Profil der Stadt Graz.
Ob so etwas auch hier bei uns gelingen könnte? Aus Bochum Marketing würde die Ruhr.2010 Bochum Marketing, aus der Stadt Bochum die Ruhr.2010 Bochum, aus der Wirtschaftsförderung Bochum die Ruhr.2010 Wirtschaftsförderung Bochum etc. Mit allen Konsequenzen bezüglich Logo, Corporate Design und natürlich auch bei der inhaltlichen Abstimmung. Und das nicht nur in Bochum, sondern natürlich auch in Dortmund, Essen, Duisburg, Gladbeck, Schwelm…
Wohl eher ein Traum. Vielleicht ja auch ein Alptraum?! Immerhin macht bspw. Bochum Marketing einen excellenten Job. Auch ganz ohne Ruhr.2010.
Der Grazer Umgang mit dem ihrem Logo sollte hingegen unbedingt beispielgebend für die Ruhr.2010 werden. Genau wie beim Ruhr.2010-Logo gab es in Graz einen umfangreichen Styleguide zur Beschreibung des Logos. Und auch die Grazer legten großen Wert darauf, dass ihr Logo möglichst unverfälscht verwendet wurde.
Was den Kreis der Nutzer anbetraf galt aber anders als bei der Rur.2010 eine große Offenheit. Die Idealvorstellung der Grazer wäre wohl gewesen, wenn einfach jeder der einen Bezug zur Stadt hat, das Logo verwendet hätte. Und zwar DAS Logo. Nicht etwas ein Community-Logo.
Der Styleguide ließ zudem bewusst den kreativen Umgang mit Logo zu. Das gipfelte darin, dass die Veranstalter ganz offen zum Wettbewerb um die beste Adaption des Logos aufriefen. Das größte Kaufhaus am Platz etwa gestaltete sein Logo zum 130-jähriges Bestehen im Stil und in den Farben der Kulturhauptstadt. Andere Geschäfte gestalteten ihre Auslagen nach den Vorgaben der Logo-Designer. Künstler schufen Logo-Intallationen im öffentlichen Raum.
Im Gespräch mit Herrn Dr. Gaulhofer konnte ich noch erfahren, dass es kaum negative Auseinandersetzung mit dem Logo gab. Natürlich habe man sich ein Vorgehen gegen Auswüchse vorbehalten. Zur (Abmahn-)Tat schreiten musste man aber wohl nicht.