Kurz vor Ostern gab es beim hochverehrten Don Alphonso eine mittelgroße Treibjagd zu bestaunen. Zu erlegen galt es die Berliner Agentur Johanssen + Kretschmer in Gestalt zweier reichlich unvorsichtiger Mitarbeiter mit lustigen Vornamen. Soweit ich es hier am Rande des Schwarzwaldes - abgeschnitten vom steten Informationsfluss der IP-Welt - beurteilen kann, geht die Jagd auch über Ostern weiter.
Im Gegensatz zu den Treibjagden der jüngeren Zeit (Klowände, Euroweb, Transparency International), hatte ich bei dieser Hatz kein richtig gutes Gefühl. Nicht weil ich es gutheißen würde, dass die Bildrechte von Don und seinen Partnern missachtet wurden. Und schon gar nicht, weil ich das „Monatsthema“ geheißene Geschreibsel (leider nicht mehr online) der beiden Gejagten in irgendeiner Weise für besonders qualifiziert hielte.
Gestört hat mich, dass sich die Meute fast ausschließlich auf das weibliche Opfer gestürzt und der Don nur sehr zaghaft gegengesteuert hat. Der Text stammte aus der Feder mindestens eines weiteren männlichen Autors. Aber im Grunde ging mir die ganze Personalisierung zu weit. Es ist einfach etwas anderes, ob man sich auf einen von Matt stürzt oder zwei junge Leute fertig macht, die es vermutlich wirklich nicht besser wissen. Das einzig legitime Opfer dieser Jagd wäre die Agentur J+K als solche gewesen; besser noch der versammelte Teil der PR-Industrie, der mit J+K in dieses verschrobene Weblog-Krisen-Horn tutet.
Und gestört hat mich natürlich auch, dass der Don einmal mehr jede Form der Weblog-Beobachtung per se in seine schäumende Kritik mit einbezieht. Beispielsweise jede irgendwie „verdächtige“ IP-Hinterlassenschaft in seinen Logfiles öffentlich interpretieren zu müssen, ist schon ein bisschen kindisch. Natürlich liest Edelman in Person von Björn beim Don mit, selbstverständlich gibt es auch in anderen PR-Fabriken aufgeschlosse Mitarbeiter, die den Rebellenmarkt auf der Rolle haben und ganz sicher hören auch völlig unbeteiligte Texter bei J+K im Flurfunk, dass der eigene Arbeitgeber gerade von einen gewissen Alphonso gemeuchelt wird. Klar, dass der das dann mal schnell googelt.
Das hat doch nichts mit Weblog-Beobachtung zu tun. Und selbst wenn! Wer wie der Don streitbare Gedanken öffentlich verbreitet, muss damit rechnen, dass andere das interessiert. Jeden, der dieses Interesse mehr oder minder systematisch bekundet, in die Stasiecke zu stellen, ist schlicht lächerlich. Wer nur ihm genehme Leser wünscht, möge sich hinter einem exklusiven Login verbergen oder für immer schweigen.
Aber genug davon, ich will eigentlich auf etwas ganz anderes hinaus:
Trotz aller Kritik am wie. Der wohl geglückte Versuch des großen Don, der PR-Industrie einmal mehr den Kopf zu Recht zu rücken, geht in die richtige Richtung. Denn der weitaus größte Teil dessen, was man aus der PR über Weblogs liest und hört, offenbart entscheidende Fehleinschätzungen.
Der erste und zentrale Fehler ist, das Phänomen Weblogs in erster Linie als Risiko darzustellen. Das ist aus zweierlei Gründen falsch: Zum einen blendet es die Chancen vollkommen aus, zum zweiten werden die Risiken massiv überschätzt. Ich wage - einmal mehr - die These, dass in Bloghausen Krisen nicht künstlich herbeigeredet werden (können). Alle mir bekannten Krisenfälle beruhten auf Problemen, die von den Betroffenen hausgemacht waren. Dieses blöde Fahrradschloss war tatsächlich falsch konstruiert, Jamba hatte und hat immer noch fragwürdige Geschäftmodelle und unerträgliche Werbung, Herr von Matt hat höchstselbst die Klowände ins Gespräch gebracht… Krisen, die durch böswillige Blogger ausgelöst und erfolgreich verbreitet wurden, gibt es hingegen nicht.
Das Thema Risiko hat noch einen weiteren Aspekt: Der Image-Schaden, der durch negative Beiträge oder Kommentare ausgelöst wird, ist in aller Regel marginal. Natürlich ist es ärgerlich, wenn ein negativer Beitrag zum eigenen Unternehmen von Google bei zentralen Suchbegriffen hoch gelistet wird. Aber damit kann man durchaus leben. Schließlich wird es (hoffentlich) auch positive Beiträge geben. Wenn nicht, sollte man eher mal über Suchmaschinenmarketing nachdenken, statt mit verdeckten Kommentaren gegensteuern zu wollen.
Einige Beispiele zeigen zudem, dass ein negativer Beitrag erst dann zu einem echten Problem wird, wenn man versucht, dagegen vorzugehen. Ohne die Abmahnung hätte Moni-Gate niemals stattgefunden. Und wer weiß, ob es heute einen Spreeblick-Verlag gäbe, wenn die Jamba-Fritzen damals die Füße still gehalten hätten.
Des weiteren werden die Möglichkeiten der Weblog-Beobachtung maßlos übertrieben. Ganz egal, ob es nun 300.000 oder 30 Millionen Weblogs gibt, ganz egal, ob 10, 100 oder 1000 A-Lister als relevant identifiziert werden. Die Masse dessen, was da zu beobachten ist, ist schlicht zu umfangreich, zu wenig strukturiert und zu dynamisch, um mit vertretbarem Aufwand, so ausgewertet werden zu können, dass mögliche Krisen schon wenige Stunden oder gar Minuten nach ihrem Aufflackern erkannt werden könnten.
Sicher, Weblogs zu beobachten ist hunderttausend mal einfacher als die Auswertung von Foren.
Und dennoch ist es alles andere als einfach. RSS ist eine Hilfe aber keine Lösung (Wir gehen deshalb übrigens einen anderen Weg). Ginge es nur um die eigentlichen Einträge, pah! Aber was ist mit Kommentaren? Und die eigentliche Herausforderung: Den Grad der Vernetzung eines Themas zu messen und die Entwicklung zu verfolgen.
Es ist also keineswegs damit getan, alle Beiträge und Kommentare zeitnah zu erfassen und zu indizieren. Darüber hinaus müssen bereits erschiene Beiträge regelmäßig auf Änderungen überprüft, jeder Link, jeder Trackback muss festgehalten und eingeordnet werden. Und um Fährten aufzunehmen, wie sie der Don bei Robert Basic ausgelegt hat, müssten zumindest alle A-Lister permanent von Menschen gelesen werden. Denn bei allem Vertrauen auf technische Hilfsmittel. Die häufig vor allem in Kommentaren vorzufindende orthografische Wüste, verbunden mit einer ganz eigenen Sprache, sind automatischer Sprach- und Inhaltserkennung nicht eben zuträglich.
Anders als Don Alphonso will ich der Weblog-Beobachtung keinesfalls per se die Berechtigung absprechen. Blogger schreiben über Unternehmen, über Produkte über Menschen. Diese Äußerungen zu ignorieren, wäre schlicht blöd. Aber dabei kann man erst mal ganz entspannt bleiben. Und wer beim Don, beim Basic und beim Björn erstmal ein paar Wochen mitgelesen hat, wird schon von ganz alleine merken, wie man die Blogger nehmen muss.
Disclaimer: Ich habe diesen Text fernab der IP-Zivilisation geschrieben. Die Entwicklungen seit Gründonnerstag habe ich nicht mehr im vollen Umfange verfolgt. Für die grundsätzlichen Aussagen, spielt die aktuelle Entwicklung jedoch ohnehin eine untergeordnete Rolle.
Das Unternehmen, für das ich meine Nase in den Wind und den Kopf hin halte, beschäftigt sich unter anderem mit Blog-Monitoring. Zu Beginn habe ich mich in ähnlicher Weise geäußert, wie unsere beiden Protagonisten aus Berlin. Auch schriftlich. Gut, dass Menschen dazulernen können.
Nachtrag: Ich komme so langsam wieder rein ins Geschehen. Beim Lesen der Kommentare in diesem Beitrag vom Formsache-Blogger erscheint mir meine Kritik an Don Alphonso inzwischen etwas überzogen. Vieles von dem was mir aufgestoßen ist, stammt nicht von ihm, sondern von seinen zahlreichen Kommentatoren. Dazu er:
“Ich weiss natürlich auch, dass offene Kommentare in so einer Sache nicht unproblematisch sind. Ich habe auch ein paar Sachen gelöscht. Komischerweise kamen die “schmutzigen” Sachen von Leuten, die generell rumgepöbelt haben. Ich würde da auch nicht alles so unterschreiben, wie es drin steht, aber so ist nun mal die Realität, mit der sich diese Firma auseinandersetzen will.”