Ein Beitrag von Gastautor ‘vor’:
Es war weit nach zwölf und er machte die zweite Flasche Wein auf. Tatsächlich die Welt musste sich verändert haben. Ich argumentierte noch lange dagegen an, der Zeiger (erster Hinweis auf veraltete Technik!) schlich an der drei vorbei und wir zankten uns noch immer. Verdrängt das Bloggen den Journalismus? Ehrlich, ich fand die These so bekloppt, dass es Spaß machte noch halb besoffen dagegen anzurennen. Lange war es her, dass wir uns eine Nacht um die Ohren geschlagen haben, um eine vermeintliche Gegnerschaft auszutragen. Es war das übliche Spiel, jeder nimmt sich eine Frontlinie, verschanzt sich dahinter und ballert auf den anderen ein, auch wenn er eigentlich den anderen (sowieso) und seine Argumente ganz klasse findet. Es ist ein politisches Spiel, es ist geil, komisch, Frauen mögen das meist nicht. Während des Studiums haben wir das getrieben, damals als wir noch keine Kinder und nicht nur eine Frau hatten (sorry, die Erinnerung verklärt.) Also: das Bloggen!
Ehrlich gesagt kam mir mein trunkener Freund fast verliebt vor. Wie damals, als er von der offenen Beziehung schwärmte. Er wird alles leugnen, O.K. Aber vom freien Markt hat er mal geschwärmt, ich bin durch ihn inzwischen auch ein Liberaler geworden. Klar, dass er wieder nach links driften musste. Ich werde wahrscheinlich folgen… Bloggen ist also die neue Wunderwaffe, der er sich nächtens hingibt. Warum?
Einschub: Können Sie, unbekannter geliebter Leser, Du Blogger-Du, noch folgen??? Ich kennen mich im Bloggen nicht so aus. Bin, wie gesagt Journalist, der Feind, Möchte-gern-Feind, bzw. gehasster Verbündeter… Der Text soll persönlich sein, offenbarend, aber auch für eine Öffentlichkeit relevant, eine Mischung, die ich im Journalismus „Boulevard“ nenne. Beim Bloggen schütteln sich die Witwen selber, könnte man boshaft sagen, in Anspielung auf die oft geübte Disziplin des so genannten Witwenschüttelns. Will sagen: „Bild sprach zuerst mit dem Toten“, zumindest mit den Hinterbliebenen. Also mein bisheriger Text ist keine Nachricht, kein Kommentar, keine Reportage, um mit den klassischen Genres zu antworten, von allem etwas, vielleicht, das wäre also Bloggen. Wie gesagt, ich bin ein Greenhorn.
Neulich musste ich ein Porträt über Papst Bennedikt XVI. schreiben. Ich fand einen Blog, in dem Jugendliche über das Oberhaupt der katholischen Kirche diskutierten. Ich war stolz und glücklich und habe ein Zitat gleich geschnappt und in meinen Zeitungstext eingebaut. Das Internet hat meine Arbeit komplett verändert, auch verbessert, ja kolossal verbessert. Recherche ist ein Kinderspiel geworden, selbst gute Recherche ist nicht mehr so aufwendig. Bloggen ist für mich eine Spielart dieses ganzen Komplexes. Die Kommunikationsskala reicht von Zeitungen, Fernsehen und Webseiten über E-Mail bis hin zum Telefon. Auch der klassische Brief müsste noch einsortiert werden und die SMS mit der Angela Merkel bekanntlich die Republik regiert. In dieser Reihe wird es weitere technische Ausfächerungen und Neuerungen geben und es wird Nutzer geben, die die technischen Möglichkeiten spezifisch nutzen oder auch nicht. Bloggen wird dazu gehören, mit welcher Relevanz wird man sehen. Das Kino wird auch bleiben, trotz DVD und TV. Wie lange? Ziemlich lange. Das Open Air Kino im Sommer im Volkspark Friedrichshein stirbt genauso wenig wie ein Live-Spiel der Fußballbundesliga.
Und die Zeitung? Die Zeitung wird sterben, sagen die Zukunftsblogger. Möglich ist das, angstfrei bin ich nicht!!! Doch mir scheint es unwahrscheinlich. Zumindest unwahrscheinlich, dass ich das noch erlebe. Sicher bin ich mir nicht. Ich glaube Papier wird überleben, es ist die Frage des Trägermediums, und Papier bleibt, so denke ich. Fühlt sich einfach schöner an, als Bildschirme. Sinnlicher!
Journalisten wird es immer geben! Was sind Journalisten? Sind Blogger auch Journalisten? Manchmal ja, manchmal nein. Journalisten sind Schleusenwärter, sagt Wolf Schneider. Sie filtern Information, um sie anderen zugänglich zu machen. Andere heißt aber nicht meinem Nachbarn oder Freund, nicht vor allem meiner Community. Wenn Blogs das tun, willkommen im Club! Journalismus ist eine Frage der Relevanz, viele Blogs haben diese, das muss ich erkennen, jetzt wo ich nüchtern bin und mein Freund nicht das Spiel mit dem Wein spielt. Viele Blogs haben diese Relevanz eben aber auch nicht, sie können sie nur selbstreferenziell intern erzeugen. Da mag dann der Focus über irgendeine arbeitsrechtliche Streiterei berichten, das belegt die Skurrilität des Falls, sonst nicht. Richtig ist: Blogen ist eine neue Qualität von Kommunikation, am meisten hat mich das beim Irak-Krieg und im Zusammenhang mit China beeindruckt. Auch Bildblog gefällt mir, ohne das ich es lese…
Zum Abschluss noch die Selbstoffenbarung: Ich schreibe unter anderem für eine Kooperation katholischer Kirchenzeitungen, das ist auch so ein Insider-Medium, sehr selbstreferenziell. Aber: eine bezahlte Abo-Auflage von 170.000 Zeitungen, viele Omas dabei, zugegeben. Und doch eine Relevanz, auf die die Blogger-Comunity noch hinarbeiten muss. (Kleiner provokanter Abschluss).
Ganz zum Schluss noch: Ungefiltert, mutig, schnell – mein Blogmentor 50hz hat mich mit viel Vorschusslorberen bedacht. Das hat mich zum Schreiben verführt. Journalisten sind vor allem sehr eitel, wie Blogger eben auch. Sympathisch! Und: der Text ist für ein typisches Blog viel zu lang, oder?