Ja ja, die Tagespresse! Über eine Woche nach der Weblog-Lesung fühlt sich nun auch die Rheinische Post berufen, über das Geschehene zu berichten (Ausgabe Düsseldorf, 03.03.06, S. 16). Brandaktuell sozusagen. (Online habe ich das Machwerk nicht gefunden. Aber mir liegt das ePaper vor.)
Soll man nun lachen oder verzweifeln? Nun gut! Freuen wir uns erst einmal: Der Artikel nimmt richtig Raum ein. Ein großer Vierspalter mit fettem Foto.
Aber dann hat es sich auch schon mit der Freude: Beim Foto geht’s los. Ein reichlich dämliches Agenturfoto, das einzig und allein ausgewählt wurde, um die noch dämlichere Headline zu untersteichen:
“Der gesichtslose Autor!”
(Das Foto zeigt einen jungen Mann, dessen Gesicht von einem Notebook verdeckt wird.)
Bei der Subheadline hat man dann den Kaffee auf:
“Düsseldorf holt der Trend ein: Auf der ‘Weblog-Party‘ treffen sich Internet-Junkies, die im Netz unter Codenamen ihr Tagebuch veröffentlichen. Sogar bei den Treffen bleiben sie für ihr Gegenüber ‘ix’ oder ‘Don Dahlmann’.”
(Hervorhebungen NICHT von mir.)
Das hört sich ja an, als hätten sich radikale Geheimagenten zu einen LAN-Party zusammengerottet. Internet-Junkies? Codenamen? Tagebuch?
Der Autor - Jan Schnettler - eröffnet mit einer Frage:
“Was um alles in der Welt ist eine Weblog-Party”
(Hervorhebung von mir.)
Das - Herr Schnettler - wissen wir auch nicht. Ist aber auch ganz unwichtig, denn in ihrem Text berichten Sie ja über eine Weblog-Lesung. Was das ist, da sind wir auch ja auch nicht ganz sicher, aber Sie sollten doch zumindest die richtigen Fragen stellen.
Was dann folgt ist ein sogar Insider verwirrender Erklärungsversuch, gewürzt mit Knüwer-Zitaten, die entweder vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen wurden oder im Vollrausch (des Erfolgs?) entstanden sein müssen.
Zu den gelesenen Texten fällt Herrn Schnettler nicht leider auch nicht viel ein. Er reduziert sie auf ihren profanen Inhalt. Von den grandiosen Nufschen Einsichten über Aquarien und Kosmetikabteilungen bleibt nichts als “Vergleich”. Und ix springt halt über Frauen.
Niemand muss diese Texte mögen. Aber Auseinandersetzung können wir schon erwarten, oder?
Nun denn, was soll’s? Die meisten RP-Leser werden den Text ohnehin kaum wahrgenommen zu haben. Dafür hätte er schon im Kulturteil stehen müssen.
Nur ein noch: Wieso eigentlich “gesichtslos”? Die Damen und Herren hatten allesamt Gesichter. Teilweise sehr hübsche obendrein. Wer es drauf angelegt hätte, hätte die Phantome sogar anfassen können. Und auch ohne Lesung steht hinter diesen Bloggern durchaus ein Mensch. Print-Autoren wirft man doch auch nicht vor, dass sie unter einem Pseudonym schreiben.
(via multimediadesign.net)