Einstiegsdroge Gratiszeitung

In heutigen Zeiten ist es ja schon fast staatsblogbürgerliche Verpflichtung auch mal auf Cicero zu verweisen. Und da trifft es sich doch gut, dass WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach sich dort in einem Artikel mit der Entwicklung des (deutschen) Zeitungsmarktes auseinandersetzt.
Seine Zentrale These: Die Gratiszeitung wird sich auch in Deutschland durchsetzen. Sie wird jedoch keinesfalls die Kaufzeitung und mit ihr den Qualitätsjournalismus verdrängen. Vielmehr könnte sie die Einstiegsdroge für die “zeitungsfernen Jungen” sein, mit der auch diese bald wieder in Scharen zu Abonnenten werden könnten.

Für mich wirft der Beitrag aber mehr Fragen auf, als dass er mich überzeugt:

  • Es mag ja sein, dass die jungen Zeitungsverweigerer morgens in der U-Bahn wieder zum Gedruckten greifen, wenn es ihnen kostenlos aufgedrängt wird. Dort ist dieses Format zumindest derzeit noch einfach praktisch.
    Aber warum bitte sollten alternde Zeitungsverweigerer plötzlich ein Abonnement für eine Tageszeitung zeichnen? Wird in Deutschland nicht immer weniger gefrühstückt? Wird das Bedürfnis nach Qualität nicht ebenso gut durch die Lektüre von SpOn, stern.de und faz.net und am Wochenende durch Die Zeit, die FAS oder die WamS gestillt?
  • Das Beispiel mit den Uhren finde ich reichlich verquast. Zwar sind die Zeiger wieder auf der Uhr, aber die Werke sind digital und werden es auch bleiben.
  • Die Verlagsbranche quasi als Speerspitze der Innovation darzustellen, weil man mit Formaten, Preisen und Gestaltung experimetiert… ?!
  • Und so ganz überzeugt scheint auch Herr Hombach von seinen Hoffnungen nicht zu sein. Wieso wünscht er sich sonst in einer Reihe mit Springer-Chef Döpfner, der Kelch Gratiszeitung möge doch bitte an Deutschland vorbeigehen? Wie sollen denn da die jungen Zeitungsverweigerer zurückgewonnen werden? Wäre da nicht mehr proaktives Handeln gefragt.

Am Ende bin ich dann aber doch wieder ganz bei ihm. Der Journalismus muss seiner Rolle wieder mehr gerecht werden. Verantwortliche Auswahl und professionelle Aufbereitung sind ebenso wiederzubeleben wie die Selbstverständlichkeit der Trennung von Text und Anzeige. Wenn es so auch auch in 20 Jahren noch (m)eine Morgenzeitung gibt. Mir soll es recht sein.

Übrigens: Warum Werbung in der “Elektronik” nicht recht Fuß gefasst haben soll, diese kühne These wird er uns angesichts der Erfolge von Google und Co. noch einmal erklären müssen.

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