Bochum, ein Jammertal

Da hilft auch Karneval nichts - Bochum ist derzeit ein einzig Jammertal.

Zugegeben! Dass Nokia geht, ist ein schwerer Schlag für die Region, für Bochum ganz besonders und natürlich für die betroffenen Arbeitnehmer. Und dennoch möchte ich noch einmal eindringlich appellieren, jetzt endlich gründlich inne zu halten und ein wenig langfristig zu denken.

Die aktuelle Strategie von Gewerkschaften und (lokaler) Politik besteht vor allem daraus, Nokia mit Dreck zu bewerfen. Boykottgeschrei, Subventionsheuschrecke …

Die trügerische Hoffnung dahinter: “Nokia wird schon einknicken, wenn der Schaden am Image nur schwer genug ist.”

Ich gebe darauf nicht viel. Der Imageschaden ist längst eingetreten. Möglicherweise ist er etwas höher, als Nokia kalkuliert hatte. Doch viel höher wird er nicht mehr werden und zu mildern ist er kaum. Oder glaubt ernsthaft jemand, nach einer Rücknahme der Schließung würde es zu Pro-Nokia-Bekundungen in relevantem Umfang kommen.

In ein paar Monaten wird Nokia fort sein aus Bochum. Außerhalb der Region wird sich kaum jemand erinnern, was eigentlich los war. Der Absatz von Nokia-Geräten wird sich normalisieren. Ein Markenversprechen, dass weitgehend erfüllt wird, ist gar nicht so einfach zu ruinieren.

Was aber hängen bleiben wird, sind negative Nachrichten aus dem Ruhrgebiet.

Der Ruf der Region ist nach wie vor vom Niedergang von Kohle und Stahl geprägt. In der Außenwahrnehmung ist das Ruhrgebiet “grüner, als man erwartet, aber trotzdem ganz schön hässlich”, von Subventionitis und Massenarbeitslosigkeit geprägt und viel zu oft ziemlich verjammert.

Und welche Botschaft setzt die Region dagegen, wenn es darauf ankommt?

“Wenn Opel oder Nokia husten, gehen hier die Lichter aus?!”

Bullshit! Die Zukunft des Ruhrgebiets hängt nun wirklich nicht am Wohlwollen finnischer Großkonzerne. Das wäre ja wohl noch schöner.

Auf die Abreise von Nokia nach Rumänien hätte es nur eine richtige Reaktion gegeben:

“Farewell. Schön, dass ihr hier wart. Schade, dass ihr schon geht. Aber wir kommen gut ohne Euch klar. Die Lücke wird sicher schnell geschlossen. Immerhin leben hier Menschen mit Ideen, Menschen die anpacken können. Investoren der Welt, schaut auf diese tolle (Kulturhaupt-)Stadt.”

Aber auf mich hört ja keiner. Statt dessen fortgesetztes Gejammer. Selbst von Lammert. Und jetzt ist auch noch der Karneval rum.

Hinweis: Ein Kommentar im Stern argumentiert ganz ähnlich wie ich. Ich habe den Artikel aber erst nach der Fertigstellung meines Beitrags gesehen. Sonst hätte ich mir die Arbeit wohl gespart.

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Schon 16 Kommentare.

  1. Jochen Hoff

    Du hast recht. Irgendwann wird sich der Markt für Nokia normalisieren. Allerdings wird das Wachstum einbrechen und nie wieder wird es diese Verbundenheit zwischen Kunden und Nokia geben. Denn dieser Schaden betrifft nicht nur Deutschland, sonder schleicht sich um die Welt. Setzt sich im Bewusstsein der Menschen fest. In Rumänien fragen die Leute heute schon wie lange Nokia denn bleibt und ob es nicht vernünftiger ist die Subventionen an eigene Leute zu vergeben. Überall auf der Welt werden zur Zeit die Zusagen die Nokia gab, überprüft, oft wurden sie vermutlich nicht eingehalten. Das wird teuer. Überall.

    Aber es geht gar nicht um Nokia. Der nächste raffgierige Vorstand der mit der gleichen Idee kommt, der hat in seinen eigenen Reihen ein Problem. Dieses Desaster war für manch einen lehrreich. Winterkorn wird sich mit dem VW-Werk in Mexio dreimal überlegen ob er das dicht macht, was er eigentlich vorhatte um in die USA zu gehen. Ein paar Pharmabuden sind auch am umdenken, auch wenn die kaum noch Markennamen zu verlieren haben.

    Bochum ist eher ein Gewinner. Die Menschen haben selbst im amerikanischen und australischen Fernsehen einen guten Eindruck gemacht. Viele Entscheidungsträger auf der Welt wissen nun, das es in Bochum fleißige Leute gibt, die von Nokia betrogen wurden. Es könnte sein, das der eine oder andere nach Bochum geht, der sonst einen anderen Standort gewählt hätte.

    Der Stern will den Kampf verhindern. Der Stern ist Mohn/Bertelsmann. Die können alles brauchen aber keinen Widerstand von Arbeitnehmern. Deshalb deren Kommentar. Denn deren größte Angst ist das sich der Widerstand auf die Mohns und ihre Bertelsmannstiftung erweitert. Die ja fleißig an der Basis und Rechtfertigung für Subventionsbetrug mitgearbeitet haben.

  2. Andreas F.

    Es liegt mir fern zu Jammern (das mach ich nur wenn ich mit Lieferanten um Einkaufskonditionen feilsche … :-) und ich denke auch nicht, dass Nokia aufgrund der Proteste den Standort Bochum erhalten werden wird.

    Aber das was in der Öffentlichkeit hängen bleiben wird ist nicht “Jammern in Bochum” sondern die Aussage, dass sich Arbeiter/Angestellte im Ruhrgebiet nicht sang und klanglos über den Tisch ziehen und verarschen lassen.

    Als halbwegs Aussenstehener (Castrop ist schon in einem anderem Dunstkreis als Bochum und es gibt keinen direkt Betroffenen in meinem Bekanntenkreis), sehe ich die Auswirkungen auf den sogenannten “guten Ruf” nicht so negativ wie Du, und mache mir keine Sorgen um den Ruf von Bochum oder dem Ruhrgebiet.

    Bei mir (und einigen anderen Aussenstehenden, mit denen ich darüber sprach) kommt kein Gejammer als Signal an, sondern aktive (Ex-)Angestellte die für ihren Artbeitsplatz bereit sind zu kämpfen. Das ist nichts, was dem Image des Ruhrgebietes schaden könnte.

    Und Locker vom Hocker “Tschuess…” sagen kann wohl nur jemand, dessen berufliche Existenz jetzt nicht durch die drohende Arbeitslosigkeit zerstört wird. Ich habe schon sooo viele arbeitslose Mittfünfziger gesehen, die keinen Job kriegen, egal wie sehr sie sich bemühen, und egal wie viele zig Bewerbungen sie schreiben. Und die dann irgendwann in die Depression geraten und sich aufgeben.

    Wer aber kämpft, hat noch Hoffnung und ist aktiv. Und kann das ganze vielleicht besser verarbeiten. Und gewinnt vielleicht trotzdem, auch wenn alle Anderen von einer aussichtslosen Lage sprechen. Wer aber nicht kämpft und direkt aufgibt, hat schon verloren.

  3. 50hz

    Vielleicht ist Castrop doch nicht weit genug weg Andreas ;-)

    Dass sich die unmittelbar Betroffenen empören, halte im übrigen auch ich für allzu verständlich. Dass die Gewerkschaften auf deren Seite stehen, ist ihr Job. D’accord.

    Doch von der Politik erwarte ich mehr Augenmaß. Und was bitteschön bleibt denn von Sätzen wie diesem hängen: “…denn eine Schließung treffe nicht nur die Beschäftigten, sondern die ganze Stadt im Mark.”

    “Bochum steht (mal wieder) am Abgrund.” Oder?!

    Das Problem dabei: Genau dieses Image hängt dem Standort sowieso an. Auf dieses Image wird jetzt kräftig eingezahlt. Und das bleibt hängen. Denn nichts ist nachhaltiger ein bestätigtes Vorurteil.

  4. Lukas

    Was Du da einforderst, wäre ja eine amerikanische Einstellung: “So, Job weg, dann sehen wir doch mal zu, dass ich einen neuen finde - egal wo.”

    Die Menschen können noch so sehr über eine “Amerikanisierung” jammern, eines wird sich hier nie durchsetzen: der amerikanische Optimismus und die “Jetzt erst recht”-Mentalität.

  5. 50hz

    Lukas, wir neigen dazu, die Amerikanischen Verhältnisse zu idealisieren (im guten wie im schlechten). Wenn GM in Detroit ein paar tausend Leute entlässt, geht das auch nicht einfach so über die Bühne. Und sicher nicht alle kümmern sich dann voller Zuversicht um den nächsten Job.

    Ein wenig mehr Optimismus der amerikanischen Art stünde uns aber sicher gut zu Gesicht. Zumal für Verzweiflung hier in aller Regel kein Anlass besteht. Schließlich haben wir auch auch im Sozialen alles andere als amerikanische Verhältnisse. Und das sollte auch so bleiben.

  6. Andreas F.

    @Lukas: Das scheint mir ein wenig Naiv und von der Lebenswirklichkeit vieler (älterer) Menschen entfernt zu sein.

    @50Hz: Ich denke von diesen Politikersätzen bleibt diesmal genausoviel/-wenig hängen wie sonst auch. Nach kurzer Zeit werden sie vergessen (auch von den Politikern selbst) sein.

  7. 50hz

    @Andreas: Wir sind irgendwie beide Optimisten. Nur anders ;-)

  8. 50hz

    Leider nicht sehr ausführlich, aber mit coolen Sätzen:

    “Es ist ein von Politikern in die Welt gesetztes Vorurteil, dass sie nachhaltig Einfluss auf die Wirtschaft haben.” … “Dies ist jedoch Bestandteil ihrer Machterotik.”

    derwesten.de/nachrichten/...

  9. Sven

    Leute, seid stark! Es kommt für Bochum noch schlimmer. Seht Euch das mal an…

    derwesten.de/nachrichten/...

  10. 50hz

    Na hoffentlich haben sie dieses mal die Urheberrechte vorher geklärt.

  11. Sven

    Interessant, dass Sie das ansprechen! Auf der Webseite der Ruhr 2010 gibt es jetzt unter der Rubrik ‘LOGO’ ein Statement von Scheytt, wo er erklärt, dass die Markenrechte Europaweit geschützt sind. Das Lustige an der Sache ist aber, dass er die Rechte für Deutschland immer noch nicht hat.

    Aber um noch mal auf den Grönemeyer-Titel zurückzukommen: die Kreativwirtschaft war da ja wirklich mal ganz kreativ unterwegs! :-)

  12. 50hz

    Das wird ja immer lustiger. Wolle mer ihn abmahne?

  13. Sven

    Jau! :-)

  14. Stefan

    Es hätte doch noch alles viel schlimmer kommen- Der Slogan ist ganz schön, Grönemeyer kommt aus dem Ruhrgebiet und ist auch nicht besonders peinlich. Ich mache mir eher Sorgen darüber, das noch immer nicht klar ist, was denn alles überhaupt im Jahr 2010 passieren soll. Und ich glaube dass sich kaum jemand klar macht mit wem wir um das öffentliche Interesse rangeln: Istanbul, das alte Byzanz, Nahtstelle zwischen Ost und West, versehen mit einem gigantischen Etat werden sie die stärkeren Bilder produzieren - und wir zum 100.000sten Mal das Lied vom ach so gelungenem Strukturwandel singen mit unseren ganz tollen Stätten der Industriekultur. Istanbul hat da etwas mehr zu bieten. Wir stehen in einem Wettbwerb - nicht nur um Arbeitsplätze, sondern auch um mediale Aufmerksamkeit. Ich glaube, das ist bei vielen der Verantwortlichen noch nicht ganz angekommen.

  15. blog.50hz.de

    Absagen, einfach absagen……

    Eigentlich hatte ich ja gedacht, ich könnte mich aus der Diskussion um die Kulturhauptstadt 2010 so langsam ausklinken.
    Zum einen werde ich angesichts meines Wegzugs aus der Region zum Gelingen des Projekts nicht mehr viel beitragen können.
    Z…

  16. blog.50hz.de

    Die Chance, dass das Ruhrgebiet dazu gehören wird, ist ziemlich klein, ……

    … soll Frank Dopheide, Chef der Agentur Grey, gesagt haben, als es um die Frage ging, ob das Ruhrgebiet in 10 Jahren zu den 20 prosperierenden Metropolen dieser Welt gehören wird.
    Da hat wohl recht.
    Doch in seiner Begründung bleibt er u…

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