Blog-Monitoring - Warum die Eile?

Ich bin - was das Monitoring von Weblogs oder gar daraus abgeleitete Rankings angeht - eher zurückhaltend. Für mich ist deshalb auch nur wenig nachvollziehbar, wieso sich zuerst Ketchum und jetzt auch Edelman mit Rankings auf den Markt wagen, die alles andere als wasserdicht sind.

Als der Haltungsturner andeutete, dass Edelman gemeinsam mit Technorati ein neues Ranking für die Relevanz von Weblogs etablieren will, hegte ich zugegeben eine gewisse Hoffnung auf einen großen Wurf. Immerhin versammelt Edelman mehr Größen der Szene in seinen Reihen als die meisten anderen Agenturen und Technorati ist bei aller Kritik die Maschine für Weblog-Monitoring. Die Ernüchterung war umso größer.

Aber natürlich ist es keine Frage, dass gerade meine Branche mittelfristig eine Antwort auf die Frage finden muss, wie man Weblogs in das “klassische” Monitoring einbezieht. Einfach wird das nicht. Und Schnellschüsse führen zu nichts außer Häme.

Im für Medienbeobachter typischen Nachweisgeschäft erscheint mir aktuell wenig Platz für Weblogs zu sein. Hier gilt der Grundsatz der Vollständigkeit und Genauigkeit. Die Kunden erwarten, jeden Artikel aus möglichst jeder Publikation von uns zu erhalten. Dass man unter dieser Vorbedingung, die Liste der Onlinemedien nicht einfach um ein paar zehntausend Weblogs erweitern kann, dürfte sofort klar sein. Bei bestimmten Consumer-Themen würde die Zahl der Nachweise explodieren.

Und die Kunden würden zu Recht sehr schnell die Frage nach der Relevanz stellen.

Diese Frage wird bei Printmedien in der Regel mit Daten zu Auflage, Reichweite und Anzeigenpreis sowie daraus abgeleiteten Indikatoren beantwortet. Bei Online-Medien kann man hilfsweise auf Page Impressions, Visits und Bannerpreise zurückgreifen?

Weblogs passen in dieses Raster eher nicht, denn für den überwiegenden Teil sind diese Daten nicht verfügbar. Und selbst wenn, dürften die Indikatorwerte in der Regel gegen Null gehen. Möglicherweise wird man zu dem Schluss kommen, dass Weblogs an sich für das Nachweis-Geschäft nicht zugänglich sind.

Andererseits gibt es ja durchaus auch heute schon Weblogs, die deutlich mehr Aufmerksamkeit genießen, als manche Onlineausgabe einer Regionalzeitung. Und manche davon können hinsichtlich der Qualität mit einigen Online-Magazinen locker mithalten. Kann man die aus dem Monitoring ausschließen, weil sie auf einer anderen Technologie basieren oder einer “neuen” Kultur entspringen?

Neben dem Nachweis-Geschäft kümmern wir Medienbeobachter uns zunehmend auch um die Zusammenstellung von Managementinformationen, bspw. in Form von Pressespiegeln. Hier kann ich mir die Verwendung von Beiträgen aus Weblogs sehr gut vorstellen. Nach welchen Kriterien die Beiträge ausgewählt werden, muss wohl für jeden Einzelfall gesondert entschieden werden.

Und dann bleibt noch die Analyse: Dass ich von angstgetriebenen Überwachungsbestrebungen wenig halte, habe ich bereits an anderer Stelle geschrieben. Spannend finde ich hingegen Ansätze, die sich der Entwicklung von Imagefaktoren widmen. Und wenn die PR - frei nach Pfeffer - irgendwann dem Schlafwagen entsteigt, werden wir schon am Bahnsteig warten und den heißen Morgenkaffee der PR-Wert-Anaylse für Weblogs bereithalten. Die Kaffeemaschine ist schon angeschafft.

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Schon 4 Kommentare.

  1. Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach

    Was ich selbst auch weit spannender finde als irgendwelche Toplisten, ist: Wo kommen Themen her und wie entwickeln sie sich. Und da mit Technorati zu arbeiten (aber nicht tumb, sondern als Mensch), kann schon hilfreich sein. Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich das Thema “Lokalisierung” weiter entwickelt, denn darum geht es uns ja vor allem.
    An das Problem, das du beschreibst, erinnere ich mich auch noch gut, als ich bei eurem Wettbewerber “Ausschnitt” war, die wie ich finde einen guten Weg gefunden hatten, eine Art Klassifizierung vorzunehmen - händisch, logo….

  2. 50hz

    Genau Wolfgang: Technorati ist allerhilfreichst. Aber eben nur wenn man es zu nutzen weiß.
    Eine Lokalisierung könnte einiges verbessern. Aber vielleicht ist Nico ja schneller ;-)

    P.S.: Zu direkten Wettbewerbern äußere ich mich hier nicht.

  3. Rainersacht

    Vielleicht aber deckt das Problem der Blog-Beobachtung aber auch die derzeitige (und steinalte) Schwachstelle der Medienbeobachtung anunpfirsich auf - dass deren mit großem Ernst und Eifer produzierten Analysen in den Agenturen und Unternehmen nur in extrem wenigen Fällen als Planungsinstrument oder Korrektiv in Sachen Kommunikation genutzt werden, sondern der rechtfertigenden Defensive oder dem Schaumschlagen dienen.

    Der Hund stinkt vorne, nicht hinten. So lange PR tut, als sei sie irgendwie wissenschaftlich, so lange sie - selbst bei angeblich ansteigender Konjunktur der Agenturen (datt wüsstich…) - nichts in der Hand hat, um ihre Existenz zu rechtfertigen, so lange werden Ergebnisse der Medienbeobachtung vorwiegend missbraucht werden.
    Insgesamt ist das Phänomen “Blogs” ein Indikator für die Krise der klassischen Medien und derjenigen, die sie zu nutzen (manipulieren) .uchen

  4. Zweite Etage » Sind Blogger selbstverliebte Arschlöcher?

    […] Diese Frage ist sicher so global wie die Erderwärmung. Im übrigen schon gestellt. Und: Zur Zeit hagelt es ja kräftige Überschriften in den Medienblogs. Rainer Sacht titelte neulich »Ficken für den Klimawandel« und Uwe Mommert für das mediacoffee »Bumsen für Europa«. Insofern richte ich mich gerne nach den Großen dieser oder jener Branche und greife auch einmal in die Vollen, zumal ja eine gewisse Tradition existiert, bezeichnete doch Jean-Remy von Matt im Januar 2006 Blogs als »Klowände des Internet«. Aufgrund ihrer Nähe existiert zwischen Journalisten und Bloggern eine gewisse Idiosynkrasie, obgleich einige beides zur gleichen Zeit und in einer Person und das auch noch gut sein können. Journalisten und Blogger besitzen beide recht häufig ein, sagen wir, kräftiges Selbstbewußtsein, das bei den einen auf dem Grundgesetz beruht (hierzu gab es vor einem Monat eine schöne Glosse bei medienrauschen), bei den anderen auf einer Art Opensourcerobinhood-Variante. Dem freundlichen, kleinen Blogger von nebenan können bestimmte Grabenkämpfe nur irritieren. Zur mir bekannten Phänomenologie der menschlichen Psyche kam heute für mich als neu hinzu, daß es offenbar eine weitere Idiosynkrasie gibt, die mir zuvor als unmöglich erschienen wäre: die zwischen Bloggern und Medienbeobachtern. Und hier fühle ich mich mal so richtig dumm von der Seite angemacht. Neben den Medienjournalisten verfügen auch die Onlinemedienbeobachter, denen ich hauptberuflich angehöre, nicht nur einen hohen Respekt vor geistigem Eigentum, sondern auch gegenüber aktuellen Trends und Erscheinungen im Internet. Aber was ist eigentlich vorgefallen? — In einem grundsätzlichen Blogbeitrag vom Oktober 2006 diskutierte 50hz über die Frage, inwieweit Weblogs Gegenstand der Medienbeobachtung sein und werden könnten. Der Grundtenor des Beitrags bestand nicht darin, daß Webloginhalte irrelevant für die Medienbeobachtung seien, sondern darin, daß es schwer bis unmöglich sei, sachliche Indikatoren für die Bewertung einer Erwähnung in einem Blog zu finden, da die einzig vorhandene Information, die sich hierbei bietet, die technorati-Rankings darstellen. Dafür, daß sich auf diesem Gebiet durchaus etwas tut, sind nicht nur die deutschen Blogcharts ein angenehmes Beispiel, sondern auch blogscout, da hier konkrete Zahlen ausgegeben werden, die ein hinlängliches mathematisch-wissenschaftliches Fundament für das Blog-Monitoring ergeben könnten, wenigstens was den deutschen Sprachraum anbelangt. Wenn es in Teenie-Diskos etwa Wortwechsel wie diesen geben kann »Hey, du siehst cool aus!« — »Hey, du hast Mundgeruch!«, wurde ich heute in realiter mit einer vergleichbar frappierenden Situation konfrontiert mit meiner Anfrage an die Bloggerszene (ich halte das mal vage), ob Blogger und Medienbeobachter nicht irgendwie kooperieren und voneinander profitieren könnten. Aber da hatte offenbar jemand seine Morgenmilch nicht ausgetrunken und replizierte hold, daß sich Blogger wohl nicht bespitzeln lassen wollten. Nun ja, Blogger und Blogs hängen im wesentlichen ihr »Nimm mich!« heraus, und wollen gelesen, zur Kenntnis genommen, in Form von RSS-Feeds abonniert werden. Und dann das! Dieses heftige Gegen-die-Wand-Laufen soll mich und meine Branche nicht daran hindern, nach weiteren, neuen, guten Lösungen zu suchen. Für heute Abend bin ich aber erst einmal bedient. […]

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