“Es bringt zur Weißglut”: Disclaimer in der Presse?

“Es bringt zur Weißglut.” So titelte gestern unser örtliches KäseAnzeigenblatt “Stadtspiegel“. Der da so ungehalten war, heißt Rainer Pinno, Chef der Remondis-Niederlassung in Bochum-Gerthe. Auslöser für Pinnos bedenklichen Gemütszustand ist die Deutsche Post. Die beglückt nämlich seit ein paar Monaten auch Bochumer Haushalte mit “Einkauf aktuell“.

“Einkauf aktuell”, das ist ein sparsames Fernsehprogramm und ein dicker Stapel Reklame. Was die notorischen Schnäppchenjäger freut, scheint viele Bochumer eher zu nerven. Mich auch. Das in dünne Plastikfolie eingeschweißte Päckchen landet ungeöffnet im Altpapier.

Was grundsätzlich eine gute Idee ist, findet wohl auch der Remondis-Mann. Denn Pinno verdient sein Geld schließlich damit, möglichst viel Altpapier aufzubereiten und an die Papierindustrie zu verkaufen. Nun erhöht aber die Plastikfolie um die Gelbe Postille stetig die sogenannte Störstoffquote im Altpapier. Pinno droht Ärger mit seinen Abnehmern.

Ich kann Pinno verstehen. Es ist wirklich ärgerlich, wenn für Produkte mit ultrakurzer Lebenserwartung wertvolle Rohstoffe vergeudet und dann auch noch ohne Not verunreinigt werden. Die Post sollte mal überlegen, ob sich “Einkauf aktuell” nicht auch anders verpacken ließe.

Dass sich der Stadtspiegel aber vor den Remondis-Karren spannen lässt, bei den Bürgern fleißig Stimmen gegen die Post sammelt und so negative Stimmung zum Gelben Riesen schürt, war sicher nicht nur dem Umweltschutz und dem Unmut der Bürger geschuldet.

Vollkommen unerwähnt lässt der Stadtspiegel, dass die Post dem Stadtspiegel einen Teil seiner Geschäftgrundlage entzogen hat. Vor “Einkauf aktuell” kam die Reklame nämlich mit dem Stadtspiegel in die Briefkästen.

Das zeugt nicht gerade von unahängigem Journalismus. Hätte ein Blogger den Text geschrieben, hätte er - hoffentlich - einen Disclaimer hinzugefügt.

In der Presse ist das bislang eher unüblich. Warum eigentlich?

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Schon 8 Kommentare.

  1. Fabian Herbel

    Gott ja, wer sich in die journalistischen Niederungen der rein werbefinanzierten Lokalblättchen begibt…
    Die Rhein-Zeitung Mainz (KEIN rein werbefinanziertes Lokalblättchen!) hat letzte Woche im Lokalteil aufgemacht mit einem Dreispalter über die veränderten Tarifstrukturen beim örtlichen Energie-Anbieter Entega inklusive Tipps, wie sich dort durch eine Umstellung des Tarifs Geld sparen lässt. Eine Information, die Entega selbst offensiv verkündet, sowohl im Briefkasten, als auch als achtelseitige Anzeige auf Seite 1 (also der gleichen Seite) und Seite 3.
    Die Möglichkeit den Anbieter zu wechseln, wurde natürlich im Artikel nicht genannt.

    Was ich eigentlich schreiben wollte: Ich bin froh, dass sich überhaupt mal jemand gegen dieses unsägliche “Postpäckchen” zu Wort meldet und sei es nur in einem Bochumer Käseblättchen.
    Ich bin weiterhin froh, dass es ein “Müllvertreter” ist, der sich zu Wort meldet. Genau aus diesem Grund landet das Teil bei mir nämlich, trotz pochendem ökologischen Gewissen, ungetrennt im Altpapier.

  2. Jens

    Hmm… also ich finde dieses Post-Dingen eigentlich ganz nett… da schaut man sich einmal die Werbung an, entdeckt ggf. was günstiges und wirft das dann danach in die Papiertonne.

    Wobei es natürlich sinnvoller wäre, das ganze in Pappe/Papier zu verpacken, damit das nicht einfach “unrein” in der Altpapiersammlung landet.

    Bzgl. Disclaimer: Wäre natürlich besser - aber das erwartet man doch gerade in so einem Blättchen nicht, oder?

  3. 50hz

    Statt die Folie aus Protest mit ins Altpapier zu geben, könnte man natürlich der Idee des Stadtspiegel folgen. In den gelben Postkasten damit. Massenhaft, am besten!

  4. Jens

    Hehe, kreative Idee!

  5. Achim

    Ein Fabian Herbel schreibt in seinem Kommentar, ich zitiere: “In die journalistischen Niederungen der rein werbefinanzierten Lokalblättchen begibt…”
    Schade, lieber Herr Herbel, dass Sie offenbar schlechte Erfahrungen mit den “Lokalblättchen” gemacht haben. Und viel schlimmer noch finde ich es, das Sie alle über einen Kamm babieren. Im Hinblick auf die Schwachsinnslösung der Deutschen Post mit Einkauf Aktuell sind es nicht nur die Anzeigenzeitungen, die Alarm machen.
    Ich bin der Meinung, dass Sie in einer schwer nachvollziehbaren Überheblichkeit - wobei Sie sicher nicht allein dastehen - über Journalisten urteilen, die alles andere als ok ist. Es gibt viele Beispiele, die sehr gut darstellen, dass Anzeigenzeitungen endlich mal Themne aufgreifen, die von den großen Tageszeitungen links liegen gelassen werden.
    Nichts für Ungut ob der deutlichen Worte, aber ich denke, man sollte insgesamt nicht mit Bausch und Bogen diese Medien verunglimpfen.
    Ciau,
    Achim

  6. Nils

    Ja, ich werfe diesen unverlangten Werbemist mittlerweile auch in den Briefkasten - wieso soll ich den Müll der Post trennen?
    Aber kann man dieses unnötige Mistzeug nicht irgendwie abbestellen? Hilft ein “Keine Werbung”-Aufkleber auf dem Briefkasten?

  7. Jens

    Ich bin anscheinend einer der wenigen Fans dieser Beilagen. Manchmal sind da nette Coupons drin.

    Aber irgendwie bekomme ich die Dinger kaum noch.

    Nein: Das soll jetzt nicht bedeuten, das ihr mir die alle reinwerft. ;)

  8. Top oder Flop

    Tolle Berichte über Einkauf Aktuell und einen passenden Werbeverweigerer Aufkleber zum editieren gibt es unter der eingefügten URL!

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